Um Open Source und digitale Souveränität voranzubringen, müssen wir Allianzen über verschiedene Branchen hinweg schmieden und gemeinsam an einem Strang ziehen. Daher ging es beim diesjährigen Open Source Day unter der Überschrift „Die Zukunft Europas entscheidet sich im Digitalen – warum digitale Souveränität so wichtig ist“ in zwei Impulsvorträgen, einer Podiumsdiskussion und dem Austausch mit dem Publikum immer wieder um die Kooperation verschiedener Akteure und den gemeinsamen Aufbau von Kompetenzen. Während das Thema digitale Souveränität in der öffentlichen Verwaltung bereits tiefer verankert und vorangeschritten ist, gibt es gerade in Wirtschaft und Industrie in dieser Hinsicht noch Ausbaupotenzial. Das bietet aber auch die Chance, voneinander zu lernen und ganz im Geist der Open Source-Kultur Wissen und Erfahrungen zu teilen. Der Open Source Day war hierfür wieder eine perfekte Gelegenheit, um Unternehmen, Communities und Open-Source-Begeisterte zusammenzubringen.

Open-Source-Projekte in der Verwaltung nehmen Gestalt an

Im Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI) sind in diesem Jahr drei große Projekte für Open Source und digitale Souveränität in die entscheidende Umsetzungsphase gestartet: Das Zentrum für digitale Souveränität (ZenDiS), der souveräne Arbeitsplatz für die offene Verwaltung und das OpenCoDE Repository sollen alle den Einsatz von Open Source in der öffentlichen Verwaltung vereinfachen und vorantreiben und damit offene Alternativen entwickeln. Andreas Reckert-Lodde, Leiter der Projektgruppe ZenDiS im BMI, stellte in seinem Impuls den aktuellen Stand und die nächsten Umsetzungsschritte bei diesen zentralen Initiativen für den Einsatz von Open Source in der öffentlichen Verwaltung vor. Sein positives Fazit: „In der Verwaltung wird inzwischen aus allen Richtungen digitale Souveränität gefordert und es besteht inzwischen ein breites Verständnis dafür, warum offene IT-Alternativen auch in der öffentlichen Verwaltung absolut essentiell sind.“

Andreas Reckert-Lodde, Leiter der Projektgruppe ZenDiS im BMI

Das Zentrum für digitale Souveränität soll die Verfügbarkeit moderner, leistungsfähiger und skalierbarer Open-Source-Software-Lösungen und die Begleitung des Einsatzes solcher Lösungen in der öffentlichen Verwaltung gewährleisten, Kompetenzen bündeln und als Ansprechpartner für Verwaltungseinheiten dienen. Auf diese Weise muss Know-How in der Verwaltung nicht immer wieder neu aufgebaut werden. So können Behörden und Verwaltungseinheiten bei der Nutzung von Open Source Software auf bestehende Kompetenz, erprobte Best-Practices und bereits vorhandene Lösungen zurückgreifen. Aktuell wird das entsprechende Referat im Bundesinnenministerium aufgebaut. Der „Arbeitsmuskel“ der Verwaltung, wie Andreas Reckert-Lodde das ZenDiS nennt, soll zukünftig Bund, Ländern und Kommunen mit Rat und Tat zur Seite stehen – „im Grunde wie ein Open Source Program Office auf Bundesebene“. Viele Teilnehmende am Open Source Day nutzten die Gelegenheit, zahlreiche Fragen an Andreas Reckert-Lodde zu richten, etwa wie das ZenDiS operieren und welche Aufgaben es anpacken wird. Durch den lebhaften Austausch wurde dieses zentrale Open-Source-Projekt für das Publikum greifbar und konkret.

Das ZenDiS betreut als Koordinierungsstelle auch die beiden Projekte „Souveräner Arbeitsplatz für die öffentliche Verwaltung“ und das „OpenCoDE Repository“. Der souveräne Arbeitsplatz für die öffentliche Verwaltung soll bestehende Abhängigkeiten in der Verwaltung reduzieren, indem eine Multi-Vendor-Strategie verfolgt und insbesondere auf Open-Source-Lösungen gesetzt wird. Das Vorhaben sattelt auf dem bereits bestehenden Phönix-Projekt von Dataport auf, „braucht aber noch einen etwas griffigeren Namen“, wie Andreas Reckert-Lodde zugestand. Auch hier geht die Umsetzung voran und mehrere Bundesländer beteiligen sich bereits an der Weiterentwicklung. Im Austausch mit dem Publikum betonte Andreas Reckert-Lodde die Bedeutung dieser Kooperation. Bund, Länder und die beteiligten Unternehmen leben hier die Open-Source-Kultur, indem sie gemeinsam an einer Lösung arbeiten, von der am Ende alle profitieren.

Auch bei OpenCoDE, dem Open Source Code Repository für die öffentliche Verwaltung, wird dieser Kooperationsgedanke gelebt. Dort kommen seit dem Go-Live im Juni 2022 kontinuierlich neue Softwarelösungen hinzu, die die Verwaltung nutzen kann. Andreas Reckert-Lodde erläuterte, wie die Plattform konzipiert ist, wie die Mitarbeit dort funktioniert und appellierte an das Publikum, sich dort einmal umzuschauen und das Repository auch mit eigenen Lösungen zu befüllen.

Open Source Software im Bundestag

Die Bundesregierung hat sich das Engagement für digitale Souveränität auf die Fahnen geschrieben, sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Digitalstrategie. Anna Kassautzki (SPD), Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, gab in ihrem Impuls Einblicke in ihre Arbeit und die Vorhaben der Ampelregierung. Als eines der Projekte, die ihr ganz besonders am Herzen liegen, hob sie den Sovereign Tech Fund hervor, der die Entwicklung, Verbesserung und Erhaltung offener digitaler Infrastrukturen und die nachhaltige Stärkung des Open-Source-Ökosystems verfolgt.

Anna Kassautzki (SPD), Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag

Als Vertreterin einer neuen Generation von Unter-30-Jährigen im Bundestag, die ganz selbstverständlich mit dem Internet aufgewachsen sind, besteht eine große Herausforderung in ihrer politischen Arbeit immer wieder in der Kommunikation und Vermittlung, warum digitale Souveränität so wichtig ist. „Dabei ist spätestens mit dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine total deutlich geworden, dass wir uns keine solche weitreichenden Abhängigkeiten leisten können“.

Um die Kontroll- und Gestaltungsfähigkeit über die eigene IT auch im Alltag umzusetzen, hat Anna Kassautzki die gesamte Infrastruktur ihres Bundestagsbüros komplett selbst und unabhängig von der Bundestagsverwaltung mit Open-Source-Lösungen aufgesetzt. Das löste im Publikum die erstaunte Nachfrage aus, ob auch andere Abgeordnetenbüros diesen Weg wählen oder ob sie damit eine Ausnahme sei. Im Gespräch wurde deutlich, dass es auch hier eine Frage der verfügbaren Kompetenzen ist, ob ein Abgeordnetenteam so eine Umstellung ohne fremde Hilfe leisten kann und dass eben aktuell nur wenige Büros über die entsprechenden Kenntnisse verfügen.

Das Potenzial von Open Source in der Wirtschaft

Die Bedeutung von Gestaltungs- und Kontrollfähigkeit der genutzten IT durch den Einsatz von Open Source Software nimmt auch in der Wirtschaft immer mehr zu. Auf der Podiumsdiskusson mit Dr. Philipp Ludewig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Kai Kalusa vom Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) und Cemil Değirmenci von der Wavecon GmbH wurde allerdings deutlich, dass der Weg zu einem breiteren Einsatz von Open Source noch weit ist.

Die Podiumsdiskussion auf dem Open Source Day

Cemil Değirmenci erklärte, dass die Wavecon GmbH, die auf Cloud-Lösungen für Start-Ups und KMUs spezialisiert ist, bereits seit ihrer Gründung auf Open Source setzt und die Beteiligung am Sovereign Cloud Stack und der entsprechenden Referenzimplementierung daher ein logischer Schritt war. Im VDMA und bei seinen Mitgliedsunternehmen hingegen ist das Thema Open Source und digitale Souveränität gerade erst im Kommen, „die Branche entwickelt allmählich ein Bewusstsein dafür“, so Kai Kalusa. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sagte hierbei Unterstützung zu, „wir sind ein offenes Haus und freuen uns immer über Anregungen und Vorschläge“, so Dr. Philipp Ludewig.

Zum Schluss wollte Lothar Becker, der mit Miriam Seyffarth die Podiumsdiskussion moderierte, von den Panelteilnehmern wissen, was sie sich von der Open Source Business Alliance für den weiteren Weg wünschen. Die einstimmige Antwort lautete „Machen Sie mit Ihrem Engagement und Ihren wertvollen Impulsen für digitale Souveränität und Open Source so weiter wie bisher“. Mit dieser motivierenden Botschaft endete der Open-Source-Day 2022. Hier finden Sie einige Fotos und Impressionen von der Veranstaltung.